Wladimir Putin selbst ist am Wochenende nicht auf die berühmten Sperlingsberge im Südwesten Moskaus gekommen. Das Festival namens „Frühling“ zu Ehren der Annexion der Halbinsel Krim vor drei Jahren überließ er lieber dem gemeinen Volk. Dieses tanzte und trank dann von Moskau bis Nowosibirsk, von Murmansk bis nach Wladiwostok am Pazifik.
Das muss nicht verwundern. Genau drei Jahre nach der Annexion ist die absolute Mehrheit voller Genugtuung und Freude darüber, dass endlich zusammen ist, was aus ihrer Sicht schon immer zusammengehörte. Von einem gesellschaftlichen Krim-Konsens ist in Russland die Rede. Mehr noch: Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts VCIOM zufolge sind 78 Prozent der Ansicht, dass die Annexion Russland genutzt und nicht geschadet hat. So groß war die Überzeugung nie. Dass die Krim selbst davon profitiert, glauben 89 Prozent. Lediglich 13 Prozent sagen, dass das völkerrechtswidrige Abenteuer Russland geschadet habe.
Ein erstaunliches Ergebnis. Selbst Putins Sprecher Dmitri Peskow gab dieser Tage zu, dass die Annexion der Krim der russischen Wirtschaft viele Schwierigkeiten gebracht habe. „Es sind diese Schwierigkeiten, dieser Preis, den wir alle wirklich zu bezahlen haben“, sagte er im Gespräch mit dem Medienverlag RBK: „Ist der Preis hoch? Ich sage es einmal so: Er ist den Kräften und Möglichkeiten Russlands angemessen.“ Was die Fakten selbst betrifft, so bewegen sich die Schätzungen im Bereich von einer halben Billion Rubel (gut acht Milliarden Euro), die aus Russlands Budget in den vergangenen drei Jahren für die Halbinsel aufgewendet wurden. Das ist mehr als eineinhalb mal so viel, wie das Bruttoregionalprodukt der Halbinsel im Jahr 2015 betrug. Das Budget der Krim wird zu 65 Prozent aus Moskau subventioniert – das sind jährlich mehr als eine Milliarde Euro. Mehr von Moskau abhängig sind nur noch die nordkaukasischen Krisenregionen Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan.
In Zeiten des Rohstoffbooms, als Russlands Wirtschaft jährlich bis zu über sieben Prozent wuchs, wäre dies nicht der Rede wert gewesen. Zwar wird das Bruttoinlandsprodukt nun nach einer dreijährigen Durststrecke in diesem Jahr wieder anziehen – das Finanzministerium rechnet sogar mit 1,5 bis zwei Prozent. Aber ein steiler Aufschwung zeichnet sich vorerst nicht ab. Und die Krim ist bei Weitem nicht die einzige geopolitische Baustelle, die Russland seit einiger Zeit Geld kostet.
Dazu kommt, dass sich vorerst kein schnelles Ende der westlichen Sanktionen abzeichnet, wie man es mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump ursprünglich verbunden hatte. Womit auch die Gegensanktionen – das Embargo auf westliche Agrarprodukte – in Kraft bleiben. Dabei verliert jeder Russe 4400 Rubel pro Jahr allein aufgrund dieses Embargos, wie aus dem jüngsten Monitoring der Russischen Akademie für Volkswirtschaft hervorgeht. Im Jahr seien das umgerechnet 9,7 Milliarden Euro. Und zwar deshalb, weil das Importembargo die Lebensmittelpreise antreibe.
Die Russen haben sich offensichtlich an die wirtschaftlichen Nachteile gewöhnt. Hatten sich einer anderen VCIOM-Umfrage zufolge vor zwei Jahren 33 Prozent dafür ausgesprochen, dass der Staat Maßnahmen zur Abschaffung der Sanktionen ergreifen solle, so sind es heute nur noch 18 Prozent. 59 Prozent erklären sich dezidiert dazu bereit, wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen, wenn nur der außenpolitische Kurs beibehalten bleibt. Die Sanktionen seien zur Routine geworden, meint Michail Mamonov, Umfrageleiter bei VCIOM: „Ihre negativen Folgen sind mit den allgemeinen Folgen der Wirtschaftskrise verschmolzen.“
Und wie geht es den Leuten auf der Krim selbst wirtschaftlich? Ist der Anschluss an Russland zumindest dort ein Aufstieg? Recherchen der Zeitung „RBK“ zeigen, dass die Energieversorgung aus Russland nach diversen vormaligen Stromausfällen nun ausreichend gesichert ist. Ende des Vorjahres wurde außerdem eine Pipeline aus Russland eröffnet, die Gas zur Stromerzeugung liefert. Und dieses Jahr wird auch eine Reihe neuer Verkehrsverbindungen nach Russland in Betrieb genommen. Der Bau der 19 Kilometer langen Verbindungsbrücke zwischen der Krim und dem russischen Festland wird freilich noch länger dauern.
Indes klagen Unternehmer auf der Krim, dass die Anpassung an russische Gesetze und Steuersysteme zeitlich und finanziell aufwendig ist, so Andrej Nazarov, Vizepräsident der Unternehmervereinigung Delovaja Rosija: Weil viele Staatsaufträge winken, seien auch Unternehmer aus dem russischen Mutterland auf der Krim als Konkurrenten aktiv geworden. Aber aus Angst vor westlichen Sanktionen sind so gut wie keine russischen Banken auf der Halbinsel aktiv, weshalb Kredite schwer zu bekommen sind, was wiederum den Finanzierungsschwarzmarkt anheizt.